"Ihre Erzählung von Frl. Noethers Habilitationshindernissen hat uns sehr amüsiert. Gott, Gott, wie dumm die gescheiten Männer sind!", schrieb Hedwig Pringsheim (die Tochter der Frauenrechtlerin Hedwig Dohm und Schwiegermutter von Thomas Mann) am 2. März 1916 an David Hilbert, der ihr zuvor über seine erfolglosen Versuche, Emmy Noethers Habilitation durchzusetzen, berichtet hatte. Wie dumm die gescheiten Männer tatsächlich waren, das lässt sich sowohl an den streckenweise widersinnigen, jeder Logik und jedes Anspruchs auf Wissenschaftlichkeit entblößten Argumenten, die 1907 bei einer Umfrage an allen preußischen Universitäten gegen die Habilitation von Frauen vorgebracht wurden, ablesen, wie auch an den zunächst erfolgreichen Versuchen eben dieser Männer, Emmy Noethers Habilitation zu verhindern. Es wird darüber hinaus schmerzhaft deutlich, welcher Ignoranz und Herabsetzung, häufig auch in stark sexualisierter Form, die Frauen ausgesetzt waren, die doch nichts anderes wollten, als Wissenschaft zu betreiben. Doch die klarblickenden Männer, allen voran David Hilbert, die die Frauen unterstützten und sich mit ihnen gemeinsam gegen den eisigen Wind der ihnen entgegenschlagenden Vorurteile stemmten, erhellen eindrucksvoll das ansonsten düstere Bild. |
Diese beiden Bänden sind die ersten Veröffentlichungen einer Reihe, in der in loser Folge Ergebnisse ihrer biografischen Forschungen zu der Mathematikerin Emmy Noether publiziert werden sollen. Dabei ist das aus ihrer inzwischen fast dreißigjährigen Beschäftigung mit Emmy Noether hervorgegangene Projekt "Lebens- und Familiengeschichte Emmy Noethers" nicht linear, auf Noethers Lebensweg fokussiert angelegt, sondern mehrdimensional unter Einbeziehung des gesamten familiären und sozialgesellschaftlichen Beziehungsgefüges. Über die engere Familiengeschichte hinaus wird, soweit dies für Emmy Noethers Lebensweg von Bedeutung ist, auch das allgemeinhistorische Umfeld in den Blick genommen, wenn dies geboten erscheint auch einmal - wie in dem hier vorliegenden Band 1 - als umfangreiche Einzelveröffentlichung. "Eure Exzellenz bittet die mathematisch-naturwissenschaftliche Abteilung der philosophischen Fakultät der Göttinger Universität ehrerbietigst, ihr im Falle des Habilitationsgesuches von Fräulein Dr. Emmy Noether Dispens von dem Erlass des 29. Mai 1908 gewähren zu wollen, nach welchem die Habilitation von Frauen unzulässig ist." Die in Band 1 dargestellte Geschichte dieses Erlasses, mit dem dann 1917 tatsächlich die Ablehnung des Habilitationsgesuchs Emmy Noethers aus dem Jahr 1915 begründet wurde, erlaubt aufschlussreiche Einblicke sowohl in die Argumentationsmuster, mit der sich die Mehrheit der preußischen Professoren des Eindringens von Frauen in den akademischen Lehrkörper erwehrte, als auch in das durchaus beeindruckende Engagement der unterlegenen Befürworter von Frauenhabilitationen. Vorausgegangen war dem Erlass eine Anfrage der Bonner Philosophischen Fakultät, die die Zoologin Maria von Linden habilitieren wollte. Das Ministerium reagierte mit einer großangelegten Umfrage an allen preußischen Universitäten, deren Ergebnis dann die Rechtfertigung für das Verbot der Habilitation von Frauen bildete, das bis nach dem Ersten Weltkrieg Bestand haben sollte. Dementsprechend brauchte es insgesamt drei Anläufe und einen politischen Systemwechsel, bis der am 20. Juli 1915 gestellte Antrag Emmy Noethers auf Habilitation schließlich im Mai 1919 positiv entschieden wurde und sie am 4. Juni 1919 ihre Probevorlesung halten konnte. Im zweiten Band der Reihe wird die äußerst spannende Habilitationsgeschichte Emmy Noethers im Detail aufgerollt und dabei insbesondere David Hilbert gewürdigt, der als unerschrockener Förderer und Unterstützer Emmy Noethers, als "David Frauenlob Hilbert", wie ihn seine Schüler einmal scherzhaft titulierten, neben Emmy Noether selbst die Hauptfigur, ja der "Held" dieser Geschichte der Habilitation einer außergewöhnlichen Frau ist. Auch der Vorstoß Edith Steins, der die formalen Hürden für die Habilitation von Frauen endlich auch in Preußen beseitigte, wird hier erstmals in angemessenen Ausführlichkeit gewürdigt, wobei deutlich wird, dass Edith Stein unter anderem deshalb in Göttingen nicht habilitiert wurde, weil Emmy Noether dies zuvor gelungen war und die Gegner jeder Frauenhabilitation, die sich bei Emmy Noether nicht hatten durchsetzen können, ihren Widerstand nun gegen Edith Stein richteten. Beide Bände enthalten jeweils über 50 SW-Abbildungen. |